Dirk, es hat sicher viele neue Entwicklungen in Sachen Designfood gegeben.
Die muss man ja nicht kaufen/essen. Der Käufer hat zudem entschieden, was sich am Markt behauptet.
Aber ich weiß trotzdem nicht, ob das mit den 90% so stimmt.
Nehmen wir nur das Pöckeln mit Nitratsalz. Nicht zu verwechseln mit der Haltbarmachung durch Salzen. Wer denkt, das wäre etwas Neues, der irrt.
Das Pökeln ist eine sehr alte Konservierungsmethode, die bei langen Seefahrten sehr verbreitet war, damit Fleisch auch auf hoher See als Eiweißquelle vorhanden war. In hanseatischen Urkunden um 1300 wird diese Konservierungsmethode bereits erwähnt.
1891 entdeckte der Chemiker Eduard Polenske (1849–1911), dass Nitrat im Fleisch durch Bakterien zu Nitrit umgewandelt wird. Karl Bernhard Lehmann und Karl Kißkalt entdeckten 1899, dass Nitrit für die rötliche Farbe des Gepökelten verantwortlich ist. 1901 bewies John Scott Haldane, dass die rötliche Farbe aus einer chemischen Reaktion der Nitrosogruppe mit dem im Fleisch enthaltenen Hämoglobin entsteht. 1929 stellte man fest, dass durch Nitrite die Bakterienvermehrung gebremst wird.
Also das Pökeln selbst ist mindestens 700 Jahre alt. So viel zu Nitraten in Wurstwaren.
Das Färben in roter Farbe mit Läusen ist vom Prinzip her auch schon ewig lange bekannt.
Schon seit der Eisenzeit werden in Europa Läuse zum Färben eingesetzt. Konkret: die Kermes-Schildläuse. Das sogenannte Echte Karmin von der Scharlach-Schildlaus ist ein „Produkt“ der Azteken. Sie färbten damit Textilien und Lebensmittel. Als die Spanier Lateinamerika eroberten, brachten sie den Farbstoff nach Europa.
Karmin ist licht- und hitzebeständig, auch Fruchtsäuren können ihm nichts anhaben. Um ihn herzustellen, benötigt man befruchtete, getrocknete Weibchen der Scharlach-Schildlaus, die auf bestimmten Kaktusarten in Peru und Mexiko leben. Um ein Kilogramm Karmin (E 120) herzustellen, sind mehr als 100.000 Schildläuse notwendig. Sie werden ausgekocht und mit chemischen Zusätzen versetzt.
Anders beim Lab. Entsprechend der deutschen Käseverordnung ist es seit 1975 erlaubt, anstelle des Labs aus dem Wiederkäuermagen Labaustauschstoffe zu verwenden.
Seit 1997 ist es in Deutschland auch erlaubt Lab aus genetisch veränderten Organismen, sprich Bakterien und Pilzen, zu gewinnen.
Wenn man jetzt Stoff für Stoff bewerten würde, finden sich doch zahlreiche Stoffe, die keinesfalls neu im Einsatz menschlicher Nahrung sind, die heute verteufelt werden. Deren Verwendung dann in gewisser Weise nur stärker kommerzialisiert wurde, was ihre Produktion billig gemacht hat.
Im Gegenteil muss man doch feststellen, dass früher noch viel größere Gifte als heute wie Quecksilber, Blei und Arsen viel verbreiteter waren.
Allerdings haben in den letzten 100 Jahren die Unmassen an eingesetzten zweifelhaften Chemikalien in wirklich allen Bereichen, die teils auch zu Skandalen führten wie DDT, E605, Azofarben, diverse Pestizide, etc. und weiterhin vorhandene Giftstoffe wie z.B. Aluminium oder Fluor, radioaktiven Stoffen, Atombombentests und ihre Folgen, eingesetzten Atomwaffen wie depleted uranium, Unglücke mit AKW und Chemieanlagen, sowie genetisch hergestellten Stoffen einfach völlig überhand genommen.
(Aber ob es früher wirklich anders war? Meine Oma ist 90 Jahre alt geworden und war nur die letzten 2-3 Jahre krank. Sie selbst hat seit 1945 Kochgeschirr und Essbesteck aus Aluminium benutzt.)
Fest steht aber, vor 100 Jahren waren sehr viele Menschen sehr arm.
Von 28 Mark im Januar 1923 (Vorkriegspreis: 15 Pfennige) steigt der Kilopreis (ab Laden) für Kartoffeln in Berlin auf 333 Mark im Juni (monatlicher Durchschnittspreis) und erreicht am 26. November einen Stand von 80 Milliarden Mark. Da sich die Händler dem Ansturm der Kunden nicht gewachsen fühlen, muss im Juli der Frühkartoffelverkauf in Berlin unter Polizeischutz stattfinden.
- Ein Ei kostet in Berlin im Juli 1914: 0,08 Mark, im Januar 1923: 139 Mark, im Juni: 793 Mark, am 26. November: 320 Milliarden Mark.
- Für einen Liter Vollmilch müssen in Berlin im Juli 1914: 0,24 Mark, Januar 1923: 241 Mark, Juni: 1380 Mark, am 26. November: 280 Milliarden Mark gezahlt werden.
- Im Juli 1914 kostet in Berlin ein Kilogramm Butter 2,60 Mark, im Januar 1923: 5 500 Mark, im Juni: 30 300 Mark, am 26. November: 5,6 Billionen Mark.
- Der Berliner Preis für ein Kilogramm Roggenbrot ist im Juli 1914: 0,28 Mark, im Januar 1923: 306,32 Mark, im Juni: 1253 Mark und am 26. November: 470 Milliarden Mark.
Um die Notlage weiter Kreise der großstädtischen Bevölkerung etwas zu mildern – bereits im Februar sind nach Erkenntnissen des Reichsgesundheitsamtes rund 50% der Kinder unterernährt -, werden von staatlicher Seite umfangreiche Volksspeisungen organisiert.
: https://proxy.metager.de/chroniknet.de/…ee41c47a458719a
Was nutzt es, wenn das Essen weniger vergiftet war, aber viele es sich nicht leisten konnten und das war die Jahrhunderte davor, als Kinderarbeit noch normal war, ja auch nicht wirklich immer so viel anders. 