Energiedeals mit Musterdiktaturen
Kanzler Scholz kehrt mit dürftigen Energiedeals von der Arabischen Halbinsel heim. Laut Experten wird die Wasserstoffkooperation mit der Region sozialen Wandel dort verhindern.
BERLIN/RIAD/ABU DHABI/DOHA (Eigener Bericht) – Mit allerlei Vereinbarungen zur Sicherung der deutschen Energieversorgung ist Kanzler Olaf Scholz von einer zweitägigen Reise in drei arabische Golfstaaten heimgekehrt. So wird die Bundesrepublik ab dem Jahreswechsel 2022/23 gut 137.000 Kubikmeter Flüssiggas aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importieren. Das ist weniger als die Menge, die mit Nord Stream 1 an einem Tag eingeführt wurde. Zudem erhält Deutschland ab 2023 bis zu 250.000 Tonnen Diesel pro Monat aus den Emiraten. Diese verfügen über Lieferkapazitäten, weil sie ihre Öleinfuhr aus Russland verfünffacht haben. Umfassende Flüssiggasimporte aus Qatar, einem der größten Produzenten weltweit, sind nach aktuellem Stand frühestens in vier bis fünf Jahren möglich. Jenseits von Öl und Gas hat Scholz am Wochenende auch Vorbereitungen für den Bezug grünen Wasserstoffs aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten forciert. Experten urteilen, dies trage dazu bei, die Herrschaftsverhältnisse am Persischen Golf zu zementieren und sozialen Wandel zu blockieren. Ungeachtet westlichen Drängens intensivieren die Golfstaaten ihre Kooperation mit Russland und China.
Weniger als ein Tag Nord Stream 1
Deutschland wird künftig Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten beziehen, um einen Teil seiner bisherigen Erdgasimporte aus Russland zu ersetzen. Das ist ein Ergebnis der zweitägigen Reise von Kanzler Olaf Scholz an den Persischen Golf. Demnach wird die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) 137.000 Kubikmeter LNG liefern. Das ist freilich weniger als die Menge, die vor dem Ukraine-Krieg täglich durch die Pipeline Nord Stream 1 eingeführt wurde.[1] Eine erste Teillieferung soll um den kommenden Jahreswechsel herum in Brunsbüttel unweit Hamburg entladen werden, sofern das dort im Entstehen begriffene Flüssiggasterminal dann wirklich betriebsbereit ist. Zwar heißt es, die Vereinbarung sei als Einstieg in künftige umfangreichere Importe geplant. Doch ist unklar, wo die erhofften Volumina herkommen sollen. Die Emirate verfügen zur Zeit über Exportkapazitäten von 5,8 Millionen Tonnen pro Jahr, die jedoch bisher vor allem nach Asien geliefert wurden. Neue Exportterminals mit einem Volumen von 9,6 Millionen Tonnen pro Jahr sind geplant. Bis sie genutzt werden können, werden aber wohl noch Jahre vergehen.[2] Denkbar wäre, dass Deutschland LNG erwirbt, das die Emirate bisher Japan verkauften. Japan könnte womöglich darauf verzichten, da es unverändert Erdgas aus Russland bezieht.[3]
Frühestens in vier Jahren
Erheblich umfangreichere Erdgaslieferungen erhofft sich Berlin aus Qatar, wo Kanzler Scholz gestern seine zweitägige Golfreise abschloss. Qatar ist – anders als die Emirate, die vor allem Erdöl ausführen – traditionell einer der größten Flüssiggasexporteure der Welt. Allerdings hat es seine derzeit verfügbaren Exportvolumina weitgehend mit langfristigen Lieferverträgen vergeben. Zur Zeit weitet es seine Förderung aus: Ab 2026/27 stehen neue Ausfuhrmengen bereit. Allerdings besteht Qatar darauf, auch mit der Bundesrepublik nur langfristige Vereinbarungen zu schließen; im Gespräch war zuletzt eine Zeitspanne von 15 bis 20 Jahren.[4] Dies würde das klimapolitische Ziel der Bundesregierung konterkarieren, nach Möglichkeit schon 2040 von Erdgas unabhängig zu sein. Freilich ist noch unklar, ob überhaupt ein nennenswerter Deal zustande kommt. Scholz diskutierte dies gestern mit Qatars Emir Scheich Tamim bin Hamad al Thani. Stützen konnte er sich darauf, dass Doha im Mai eine Absichtserklärung unterzeichnet hat, die vorsieht, die bilaterale deutsch-emiratische Energiekooperation systematisch zu stärken („Energiepartnerschaft“).[5] Diese umfasst nicht zuletzt eine engere Zusammenarbeit bei der Lieferung von Flüssiggas.
: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9034