Ich sehe das ähnlich wie Nelli. für mich sind Petitionen so etwas wie ein Demonstrieren zwischen Feierabendbier, Filzpantoffeln und Farbfernsehen - ein Kreuzchen ist schnell gemacht und danach geht das normale Leben weiter. Das eigene schlechte Gewissen ist beruhigt.
Bei Change.org würde ich mich aber per se nicht beteiligen, denn - wie viele Menschen sind sich wirklich bewusst, dass die persönlichen Daten, die sie der Plattform über die sogenannten „gesponserten Petitionen“ anvertrauen – also Petitionen, bei denen Change.org von den Initiatoren bezahlt wird –, zur Profilerstellung benutzt und zudem für Preise zwischen 0,85 bis 1,15 EUR verkauft werden? Diese Frage ist entscheidend, da es sich um sehr sensible Daten zu sozialen und politischen Überzeugungen handelt.
„Change.org Inc.“ wurde in Delaware gegründet, dem Steuerparadies der USA. Das Hauptquartier ist in San Francisco, im Herzen des Silicon Valley, in dem Daten das neue Erdöl sind. Und es ist wahr, dass Change.org allen erlaubt, Petitionen kostenlos einzustellen, mit dem sozialen Gedanken, auch dem letzten Obdachlosen eine Stimme zu geben. Allerdings schlägt das Unternehmen aber Profit aus den gesponserten Petitionen, die der Kunde bezahlt, um Kontakt zu den Unterzeichnern zu bekommen und damit sein eigenes Fundraising auszubauen.
Aber woher weiß Change.org so viel?
Jedes Mal, wenn wir einen Appell unterschreiben, werden Informationen über uns gesammelt, um ein Profil zu erstellen. Und wie die amerikanische Zeitschrift „Wired“ deutlich macht: „Wenn ihr eine Petition über die Rechte der Tiere unterschrieben habt, weiß die Firma, dass ihr mit einer 2,29-mal höheren Wahrscheinlichkeit eine Petition zur Gerechtigkeit unterschreibt. Und wenn ihr eine Petition zur Gerechtigkeit unterschreibt, habt ihr eine 6,3-mal höhere Wahrscheinlichkeit eine zur ökonomischen Gerechtigkeit zu unterschreiben, eine 4,4-mal höhere, eine für die Rechte von Einwanderern zu unterschreiben und eine 4-mal höhere, eine zur Bildung zu unterzeichnen“.
Wer eine Petition unterschreibt, sollte demnach zuerst aufmerksam die Datenschutzbestimmungen lesen. Aber wie viele tun das und wie viele verstehen, dass es reicht, den Button „halte mich über die Petition auf dem Laufenden“ angeklickt zu haben, damit die Kunden, die diese Petition lanciert haben, von Change.org die E-Mail-Adresse des Unterzeichners gegen Bezahlung erhalten können?Change.org Inc. selbst hat den Ehrgeiz, das Amazon der politischen und sozialen Petitionen zu werden, wodurch sie sich schon jetzt von ursprünglich progressiven Ideen entfernen und Kunden und Nutzer von zweifelhaften Initiativen ins Boot holen, beispielsweise durch das „Astroturfing“. Eben der Praxis, eine politische Initiative zu starten und zu verstecken, wer sich dahinter verbirgt, so dass sie wie eine basisdemokratische Initiative erscheint.
Das Problem ist, dass die Daten, die sie sammeln, sehr sensibel sind und Change.org sich in den Vereinigten Staaten befindet, dass also diese Daten der Überwachung durch die US-Regierung, NSA und CIA unterliegen, wie Edward Snowden bestätigt hat.
Wenn mir dann jemand erzählt, ihm wäre es egal, was mit seinen Daten passiert, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Wie hochsensibel die eigenen Daten sind, konnten wir gerade in den vergangenen Monaten sehen - bei kritischen Richtern und Rechtsanwälten kam es zu Hausdurchsuchungen, ebenfalls bei Ärzten, die ihren Patienten Maskenatteste ausgestellt hatten.