Es ist eben deren Demokratie, nicht die Demokratie, die wir uns all die Jahrzehnte vorgestellt haben, daß wir sie hätten.
Nelli, das ist ein Satz, der schon bei wikipedia Eingang gefunden hat. Scheindemokratie – Wikipediaˍ
Fast ein Drittel der Bundesbürger stellt laut einer Umfrage das politische System in Deutschland infrage.
31 Prozent der Teilnehmer äußerten in einer repräsentativen Befragung des Instituts Allensbach die Einschätzung, in einer "Scheindemokratie" zu leben, "in der die Bürger nichts zu sagen haben". Der SWR hatte die Umfrage in Auftrag gegeben, er veröffentlichte an diesem Montag die Ergebnisse.
Das schrieb ntv in 4/22. Wie viele es wohl jetzt sind?
Wie kann es eine Demokratie geben, nach dem, was hier passiert und wenn sie uns sogar verbieten wollen öffentlich unsere Meinung zu sagen und nur dass richtig sein soll, was sie zum Vorteil des Kapitals hören wollen.
Hinter dem Faschismus steht das Kapital | Unsere Zeit (unsere-zeit.de)ˍ
Aber heise schrieb es schon in 2014 in sehr gut verständlicher Weise. Mein Auszug daraus:
Die entwickelte repräsentative Demokratie ist nichts als "eine Scheindemokratie im Gehäuse einer vollwertigen Demokratie." Ihre Institutionen sind leere Hülsen ohne Inhalt und ohne Substanz. Die Parlamente haben nichts zu entscheiden, was nicht an anderer Stelle und vor ihnen längst entschieden wurde.
Die Wahlkämpfe sind zu bombastischen Schaukämpfen verbaler Schaumschlägerei verkommen.
Selbst Parteitage - einst zentrale Orte der politischen Willensbildung und Foren der Auseinandersetzung um gesellschaftliche Zukunftsfragen - sind zu nichtssagenden Veranstaltungen geworden, die unter dem Aspekt ihrer medialen Wirksamkeit durchkomponiert werden und auf denen die Parteifunktionäre vor allem für das Fernsehen paradieren.
Die Parlamente sind entmachtet und haben die Macht ohne Bedenken abgegeben; denn sie sind ja gut versorgt und können komfortabel davon leben. Solange die Abgeordneten weiter ihr Geld bekommen und in ihrem sozialen Umfeld ein gutes Ansehen genießen, ist alles andere ihnen egal.
Die politischen Parteien in den repräsentativen Demokratien wie Deutschland haben ein Monopol. Doch wenn die Staatsgewalt nicht vom Volke ausgeht, sondern von der Parteienoligarchie, ist das nicht demokratisch, sondern eine Form der - wenn auch milden - Diktatur.
Staat und Parteien im Parteienstaat verschmelzen fast nahtlos miteinander. In Deutschland haben sich die Parteien den Staat restlos usurpiert. Es gibt keine parteilosen Machtträger mehr im Staat. Vertreter der Parteien beherrschen alle Staatsorgane und -funktionen, ja selbst den halb- und vorstaatlichen Raum wie gemeinnützige Einrichtungen, Stadtwerke, Gerichte, öffentlich-rechtliche Rundfunksender. Sie haben den Staat unter ihre Kontrolle genommen, lassen sich überwiegend von ihm finanzieren und bezahlen mit staatlichen Geldern ihre eigene Wahlpropaganda.
Die Trennung von Staat und den Regierung und die Gewaltenteilung sind im Laufe der Jahrzehnte immer stärker verwischt, weil der Einfluss der Parteien sich wie ein Pilzgeflecht immer weiter über nahezu alle staatlichen und halbstaatlichen Institutionen ausgebreitet hat. Die Parteien beherrschen nicht nur die gesetzgebenden Körperschaften, sie üben auch den entscheidenden Einfluss auf die Wahl und Kontrolle der Regierung, sowie die Gesetzgebung selbst aus.
Über Exekutive und Legislative hinaus haben die Parteien durch die Wahlausschüsse auch maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung der obersten Gerichte. Nicht nur im öffentlichen Dienst handhaben Parteien inzwischen Ämterpatronage und Parteibuchwirtschaft ohne alle Scheu. Direkt oder indirekt beeinflussen sie die Berufungspolitik an den Hochschulen ebenso wie Personalfragen bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen.
Amtsträger wie Wirtschaftsbürgermeister, Regierungspräsidenten, Landräte, Universitätsrektoren, Schuldirektoren, Verfassungsrichter, Amtsrichter, Geschäftsführer der Gesetzlichen Krankenkassen, Direktoren der Stadtwerke, Vorsitzende des Verwaltungsrats von Landesbanken, die Aufsichtsräte staatlicher Einrichtungen, die Intendanten des öffentlichen Fernsehens und Rundfunks, die Direktoren von Sparkassen, Krankenhausdirektoren etc. werden in aller Regel von den politischen Parteien berufen.
Das faktische Verhalten und der Einfluss der Parteien bestätigen die Beobachtung Richard von Weizsäckers aus den frühen 1980er Jahren, dass "sie sich den Staat zur Beute gemacht haben".
Der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch bezeichnet die permanente Krise der konsolidierten repräsentativen Demokratien als "Postdemokratie". Genauer gesagt behauptet er, dass die bestehenden Demokratien auf einen idealtypischen Zustand zusteuern, den er Postdemokratie nennt. Das ist ein Zustand, in dem Vertrauensverlust, fehlender Glaube an Veränderung und politische Apathie das Bild der Bevölkerung prägen.
Dabei sind die demokratischen Institutionen und Verfahren formal, aber auch nur formal, völlig intakt - es gibt einen Wettbewerb der politischen Parteien, regelmäßig werden Wahlen abgehalten und formal funktioniert auch noch die Gewaltenteilung. Aber wahre Demokratie erschöpft sich nicht in Formalismen.
Eine formale Demokratie ohne Substanz ist inhaltslos. Und de facto sind die Institutionen der entwickelten Demokratien entkernt, weil die Bürger nicht länger am politischen Geschehen teilnehmen. Sie sind teilnahmslos geworden. Das liegt nicht an den Bürgern, sondern an der Substanzlosigkeit der politischen Willensbildungsprozesse.
Da die westlichen Demokratien jedoch auf bürgerschaftlichem Engagement und damit auf Legitimation basieren, reißt dort eine Legitimationslücke auf, die das politische System durch Output - Gesetze, Entscheidungen, Verordnungen und sonstige Regelungen - notdürftig füllt.
Scheindemokratie voller leerer Hülsen | Telepolis (telepolis.de/features/Scheindemokratie-voller-leerer-Huelsen-3363323.html)
Schaut Euch nur das Video von Locke an. Es ist nur noch unglaublich. 