Multiple Sklerose: Ursachen, Symptome, Verlauf und Therapiemöglichkeiten
Informationen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

Die Multiple Sklerose (MS, auch Encephalomyelitis disseminata genannt), ist
eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die sich im Gehirn und im Rückenmark manifestiert und durch eine Zerstörung
der Myelinscheiden (Markscheiden) der Nervenfasern zu einem ausgeprägten, irreversiblen und meist
lebensverkürzenden Krankheitsbild führt.
Insgesamt weist die Multiple Sklerose territoriale und regionale Unterschiede
auf. Die Erkrankung zählt zu den häufigsten organischen Nervenerkrankungen der westlichen Nationen, äquatorferner
gelegene Bereiche zeigen dabei eine höhere Erkrankungsrate. In Deutschland leiden ca. 120.000 Menschen an der MS
mit einer Inzidenz für ganz Europa von durchschnittlich 50 pro 100.000 Einwohner. Das durchschnittliche
Erkrankungsalter liegt zwischen dem 20. und 45. Lebensjahr, wobei ca. drei Mal häufiger Frauen als Männer betroffen
sind.
Ursachen und Entstehung
Die genaue Entstehung und die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht geklärt. Man vermutet eine durch
T-Lymphozyten vermittelte Autoimmunerkrankung, die durch zusätzliche genetische und
epidemiologische Einflüsse zum Ausbruch kommt.
Erst kürzlich stellten Wissenschaftler fest, dass die aggressiven T-Lymphozyten der von MS betroffenen Personen
im Lungengewebe (und möglicherweise auch in anderen Organen) verändert werden, um später die körpereigenen
Nervenzellen anzugreifen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22914092).
Dabei werden die T-Zellen in der Lunge grundlegend verändert. Sie stellen beispielsweise ihre Zellteilung ein
und produzieren auch keine entzündungsfördernden Substanzen mehr – eine der Hauptaufgaben von T-Lymphozyten bei der
Abwehr von Krankheitserregern. Stattdessen bilden sie auf ihrer Oberfläche kleine Zellantennen (Rezeptoren). Mit
diesen ist es ihnen möglich, sich gezielt an Zellstrukturen festzuhalten und sich bei der Wanderung ins Gehirn zu
orientieren.
Um ins Gehirn einzudringen, wandern die veränderten T-Zellen nun immer schneller durch die Gefäße und Luftwege
der Lunge, um von hier in die benachbarten Lymphknoten, dann in die Milz und schließlich zurück in den
Blutkreislauf zu gelangen.
Mittels der Rezeptoren schaffen sie es, sich an der Innenseite der Gehirngefäße festzuklammern und von dort in
das Nervensystem einzuwandern. Somit überwinden die veränderten T-Zellen die Blut-Hirn-Schranke, die für sie
normalerweise ein Eindringen unmöglich macht.
Weitere T-Zellen „schlummern“ in der Lunge, um dann bei einer Infektion der Atemwege oder durch sonstige
Irritationen des Gewebes (beispielsweise durch Rauchen ausgelöst), ebenfalls aktiv zu werden und ins Gehirn
einzudringen. Hieraus ergibt sich dann ein Schub der Krankheit.
Denn im Nervensystem angekommen werden die T-Zellen reaktiviert: Sie stellen wieder die für sie typischen
Entzündungsstoffe her, die die Gehirnzellen zunehmend schädigen.
Eine familiäre Disposition ist nicht ausschließbar, zwischen zehn und 30 Prozent der Nachkommen von an MS
Erkrankten weisen ebenfalls Nervenläsionen auf. Auch durch bestimmte Erreger ausgelöste Infektionen können zu einer
Entstehung führen. Hier werden vor allem das Epstein-Barr-Virus und Chlamydien
diskutiert.
Die Entstehung begünstigend wirken unter anderem andauernder physischer Stress, ein geschwächtes Immunsystem,
starke Hormonschwankungen, einschneidende körperliche Erlebnisse (z.B. große Verletzungen mit hohem Blutverlust)
sowie spezielle Medikamente oder Impfungen, die Einfluss auf das Immunsystem nehmen.
Die Entzündungen in Gehirn und Rückenmark führen zu einer Zerstörung der Myelinscheiden. Gleichzeitig werden
auch bestimmte Bereiche der Nervenfasern in Mitleidenschaft gezogen. Diese sind im gesunden Zustand für die
Reizübertragung verantwortlich, führen also durch Impulse zu einer Ausführung bestimmter Tätigkeiten im Körper (als
Beispiele: Heben des Arms, Schluckreflex). Die zerstörten Areale des Nervenmarks vernarben und werden hart (=
sklerosierte Plaques), wodurch die kontinuierliche Reizweiterleitung gestört wird. Die Plaques können sich in allen
Arealen des Nervensystems ausbilden, weisen aber eine regionale Häufung im Bereich des Sehnervens, im Hirnstamm,im
Kleinhirn und am Rückenmark auf, wodurch sich eindeutige MS-Symptome ausbilden, die vor allem die Bewegung
(Motorik) und die Empfindung (Sensorik) betreffen.
Verlauf und Symptome der Erkrankung
Die Symptome weisen ein ausgeprägtes, vielfältiges Bild auf.
Dabei zeigen sich auch Anzeichen, die nicht unmittelbar der Erkrankung zuzuordnen sind. Viele Betroffene (ca. drei
Viertel aller Erkrankten) klagen in der Anfangsphase über häufige Kopfschmerzen oder Sehstörungen (Neuritis nervi optici = Sehnerventzündung -
Augenkrankheiten), die im Verlauf an Intensität
zunehmen. Dabei entwickeln sich migräneartige Schmerzen, das Auge weist Entzündungen auf - Augenentzündungen, tränt, ist
gerötet und führt im Weiteren durch Nervenlähmungen zu Doppelbildern und Gesichtsfeldeinschränkungen (Teile des
Blickfeldes liegen im Dunklen).
Fast immer zeigen sich Parästhesien (Kribbeln) im Bereich der Extremitäten, besonders an den Fingern. Dazu kommt
ein Taubheitsgefühl, was dazu führen kann, dass Gegenstände nicht richtig gefasst werden oder plötzlich fallen
gelassen werden. Gelenke und der Hüftbereich weisen einen erhöhten Druck oder ein schmerzhaftes Spannungsgefühl
auf. Die Nackenregion (Nackenschmerzen) wirkt verspannt,
Bewegungen des Kopfes nach vorne lösen häufig blitzartige Stiche im Kopf und im Rücken - Rücken-schmerzen aus, so dass
Betroffene dies vermeiden und eher steif im Erscheinungsbild wirken.
Die Nervenschädigungen wirken sich auch auf die Muskulatur aus, diese wirkt angespannt aber kraftlos. Schon
kurze Tätigkeiten führen rasch zur Ermüdung, durch Schonung atrophiert (baut sich ab) die Muskulatur und verstärkt
so die Kraftlosigkeit.
Je nach befallenem Hirnnerven können sich Lähmungserscheinungen im Gesicht zeigen (z.B. Facialisparese). Häufig
ist das Gleichgewichtorgan gestört, so dass Gangunsicherheiten (plötzliches Stolpern, Hinfallen) und Schwindel auftreten. Bedingt durch die zentralen Störungen sind
MS-Erkrankte häufig nicht in der Lage, bei einem Sturz die Hände zur Stabilisierung zu nutzen, sie fallen
ungeschützt und ziehen sich vermehrt Stauchungen und Brüche zu. Ebenso können Geschmack und Geruch, der
Schluckreflex (häufiges Verschlucken) oder die Sprache (verwaschene Aussprache) betroffen sein.
Die sich häufig zeigende Harninkontinenz kann sich im Verlauf auch in einen Verhalt entwickeln. Die Defäkation
ist ebenfalls gestört, hauptsächlich leiden Erkrankte unter Obstipationen (Verstopfungen), eher selten zeigt sich eine Diarrhö
(Durchfall). Bei nahezu der Hälfte aller Betroffenen
stellen sich Erektionsproblemen und Libidoverlust ein. Die Gesamtheit der Symptome bewirkt eine psychische Veränderung, die sich durch Depressionen oder
schnelle Verstimmtheit bemerkbar macht.
Weitere allgemeine Anzeichen sind Antriebslosigkeit, ein gestörter Schlaf-Wachrhythmus sowie eine hohe
Infektanfälligkeit.
Der Verlauf der MS ist unterschiedlich, kann sich über Jahrzehnte hinziehen und lässt sich grob
in schubförmig oder progredient unterteilen. Der typische Verlauf ist schubförmig. Hierbei kommt
es phasenweise zur Ausbildung bestimmter Symptome, die sich im Verlauf (länger als 24 Stunden) aber wieder
zurückbilden.
Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto intensiver werden die Symptome bei einem Schub. Diese bilden sich nur noch zum Teil zurück bzw.
verbleiben, zusätzlich kommen neue Symptome hinzu. Meist führt dies über einen Zeitraum von Jahrzehnten zur
vollständigen Bettlägerigkeit. Die Letalität liegt 20 Jahre nach Ausbruch bei ca. 20 Prozent.
Die progrediente Form ist seltener, sie weist keine Schübe auf sondern zeigt fortlaufend eine Zunahme der
Symptomatik. Auch diese Form führt zum körperlichen Verfall und ist durch eine schlechtere Prognose
gekennzeichnet.
Diagnose
Die Diagnostik bei der MS kann sehr umfangreich sein. Neben Anamnese und Inspektion werden alle
apparativen Hilfsmittel sowie neurologische Verfahren genutzt (unter anderem Röntgen, CT, MRT, EEG). Eine Punktion
des Liquors zeigt entzündliche Veränderungen.
Aufgrund neuerer Studienergebnisse hoffen Wissenschaftler, Parameter gefunden zu haben, die eine Früherkennung
von Multiple Sklerose zulassen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22888143). Denn es stellte
sich heraus, dass die Immunantwort auf das Epstein-Barr-Virus bereits drei Jahre vor Ausbruch der Erkrankung stark
erhöht ist. Dies spricht auch für die oben beschriebene Theorie, dass das Virus als Auslöser von Multiple Sklerose
in Frage kommt.
Auch das Vitamin-D-Level war bei den Patienten immerhin bereits zwei Jahre vor dem ersten Auftreten klarer
MS-Symptome stark erniedrigt. Nach Ausbruch der Krankheit sank der Wert sogar noch weiter. Der Zusammenhang von
Vitamin D und Multiple Sklerose wurde bisher noch nicht untersucht. Auch gibt es noch keine
Erkenntnisse, die eine direkte Verbindung von Vitamin-D zum Epstein-Barr-Virus erklären.
Dennoch lassen diese ersten Forschungsergebnisse die Theorie zu, dass sich anhand niedriger Vitamin-D-Werte in
Kombination mit der erhöhten Immunreaktion die Multiple Sklerose möglicherweise bald frühzeitig erkennen lässt.
Allerdings wurden bei der Studie lediglich die zurückliegenden Blutproben von 25 MS-Patienten mit denen von
Gesunden verglichen. Untersuchungen mit mehr Probanden sind also unumgänglich, bevor sich klare Aussagen treffen
lassen.
Schulmedizinische Therapie
Die schulmedizinische Therapie richtet sich nach der vorliegenden Verlaufsform. Hierbei werden
unterschiedliche Medikamente verabreicht (oral, als Injektion oder Infusion). Die schubförmige Variante wird vor
allem mit Kortikosteroiden (entzündungshemmend) und Immunglobulinen behandelt. Die Beta(inter)feron-Therapie soll
das Fortschreiten verhindern, sie dient vor allem als Hauptansatz bei der progredienten Form.
Daneben ist die physikalische Therapie sehr wichtig. Um Betroffene so lange wie möglich aktiv am Leben
teilnehmen lassen zu können, werden spezielle Sport- und Bewegungsübungen zur Muskelstärkung angeboten. Das
Gangbild soll gebessert werden und auch der Gleichgewichtssinn wird trainiert.
Insgesamt kann die Multiple Sklerose mit Methoden der Schulmedizin nicht geheilt
werden. "Schulmedizinische" Medikamente können den Verlauf verlangsamen, ihn letztendlich aber nicht
aufhalten. In vereinzelten Fällen zeigt sich ein Stillstand der Erkrankung, der bis zum (meist verkürzten)
Lebensende anhalten kann.
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 30.10.2012 aktualisiert
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