vor 150 Jahren hatte ein Bäckerladen auch noch kein Strom.
Und diese Generation hat damals auch überlebt.
Vielleicht kommt auch der Kutscher wieder in Mode, und alte Berufe wie eine Wagnerei wieder gefragt.
Stimmt. Besonders die Kinder haben damals überlebt. Vor allem deswegen, da sie mitunter bis zu 12 oder 13 Stunden am Tag arbeiten mussten, so etwas härtet ungemein ab, macht stark und widerstandsfähig. Besonders die achtjährigen waren so behende und flink, dass sie gerne mehr als 48 Stunden in der Woche in einer Spinnerei arbeiten wollten. Dass diese Zeit deshalb auch als das "schwarze Jahrhundert" bezeichnet wird ... na ja, geschenkt.
Aber auch die Frauen waren voll in ihrem Element und konnten nicht genug bekommen von ihrer täglichen Mühsal: Wäsche einweichen, auf dem Waschbrett schrubben, auswringen und in die Sonne zum Bleichen und Trocknen legen. In aller Herrgottsfrüh aufstehen und den Kaminofen anheizen. Kinder erziehen und Haushalt führen machten sie dann noch so nebenbei. Durch die vielen Holzöfen in den Häusern hing über der Stadt ständig ein grauer Schleier in der Luft. All dies ein Garant für ein langes und lustiges Überleben.
Von den Männern und ihren 12-stündigen Knochenjobs in den Fabriken ganz zu schweigen.
Und auf Kutscher kann ich gerne verzichten - eine erhebliche Hypothek des damaligen städtischen Pferdeverkehrs waren die tierischen Exkremente. Jedes Pferd produziert im Mittel am Tag rd. 15 kg Frischkot und 10 Liter Harn. Bei einem 8-stündigen Arbeitstag bleibt davon ein Drittel auf der Straße. 1886 enthielt beispielsweise der Londoner Straßenschlamm 60% organische Masse neben 10% Eisenabrieb (von Hufeisen und Eisenrädern) und 30% Steinabrieb.
Die Exkremente ernährten im Sommer unzählige Insekten und verpesteten die Luft. Schlimmer waren davon ausgehende Reizstoffe, insbesondere Ammoniak. Ein Londoner Arzt klagte Ende des 19. Jahrhunderts, die Reizungen von Nase, Hals und Augen seien dadurch entsetzlich. Auch die Pferde selber waren natürlich diesen Umwelt-Stressoren ausgesetzt - 1866 mussten in New York täglich bis zu 20 Pferdekadaver von den Straßen entfernt werden.
Doch der Pferdeverkehr hatte noch andere Kehrseiten. Der ununterbrochene "Klang" ungezählter eisenbeschlagener Hufe auf dem Steinpflaster und das Knirschen der eisenbereiften Räder prägte damals die „Großstadtmelodie“, in den Städten herrschte ein Mordslärm. Dazu Heinrich Heine: "...zu Paris, wo ich früh und spat nur Wagengerassel, ... vernehme."
All diese Gedanken von "früher war alles besser" entspringen derzeit den Hirnen ungebildeter Übergeschnappter, die in ihrem Leben nichts anderes zu Wege gebracht haben als das Tragen fremder Aktentaschen, die aber dennoch meinen, uns regieren zu müssen und uns vorschreiben zu können, wie wir zu leben haben.
Ich habe mittlerweile die Schnauze voll von Narrativ-Idioten, die beispielsweise mit ihrem Scheiß-Lastenfahrrad durch die Stadt brettern mit der Aufschrift "There is no Planet B". Diesen Durchgeknallten empfehle ich, mal einige Rigips-Platten, oder fünf Säcke Fliesenkleber, oder etliche Ytongsteine durch die Gegend zu fahren. So etwas wirkt Wunder, da bekommt das Gehirn mal wieder richtig Sauerstoff, dann klappt´s auch wieder mit dem eigenen Denken.
Von daher - lass Deine romantisch-historischen Emotionen da, wo sie hingehören - in die Geschichtsbücher!